24.11.06

Auf meinen Leserbrief bekam ich folgende Reaktion:



Darauf schrieb ich erneut einen Leserbrief:

Ebenfalls: Diffamierung bringt nichts

Danke für die Reaktion auf meinen Leserbrief!

Lange meinte ich, dass mir Ihr Brief die Mühe meiner Antwort nicht wert sei. Bei näherer Betrachtung fiel mir jedoch auf, dass Sie bei der Rechtfertigung Ihrer Tätigkeit, genau dem selben fatalen Irrtum unterliegen wie die Verfasser der 5. IV-Revision – allen voran Ihr Chef, der Direktor des BSV: Dass nämlich eine geschützte Werkstatt ein erheblicher Beitrag zur Integration – für ALLE Behinderten - und so zu sagen gottgegeben sei. Sie sagen es ja: Weil Behinderte und ihre Angehörigen sehr frustriert wären, würden sie „Gott und die Welt“ anklagen. Lassen wir den lieben Gott besser beiseite und bleiben wir auf dem Boden der Realität. Das ganze Heimwesen, und somit das eigentliche Unglück Behinderter, hat nämlich mit Gott sehr wenig zu tun. Es ist eine Menschenerfindung mit einem einzigen Zweck: Behinderte irgendwo an den Rand der Gesellschaft zusammen zu pferchen, sie zur „Arbeit“ zu zwingen und mächtig daran zu verdienen. Dass eine geschützte Werkstatt und das Heim ein Menschenverbrechen, eigentliche Sklaverei ist, daran wird auch mein Besuch Ihres Betriebes kaum etwas ändern. Diese Tatsache bleibt auch dann bestehen, falls Sie Ihren behinderten „Mitarbeitern“ – von denen sprechen wir ja; und nicht von Ihren nichtbehinderten und sicherlich gut entlöhnten Kumpanen – anstatt 2.80 3.75 in der Stunde bezahlen Und auch dann, falls Ihre „Mitarbeiter“ scheinbar ganz freiwillig und gern bei Ihnen „arbeiten“. Menschen an einen „Wohn-“ und „Arbeits-“ Ort zwingen war, ist und bleibt ein furchtbares Delikt gegen die Menschenrechte!

Und wenn sie in einem Interview mit der Zeitschrift der Pro Infirmis behaupten: „Eine Institution ist kein Gefängnis“, so muss ich Ihnen schon Recht geben. Für gut bezahlte Heimleiter sind Heime und geschützte Werkstätten tatsächlich kein Gefängnis. Anders sieht die Situation bei den als Behinderte Stigmatisierten aus: Institutionen sind Gefängnisse! Mehrere Jahre musste ich in Heimen vegetieren und um ein Härchen wäre auch ich lebenslänglich ein Opfer einer Institution geblieben. Ausserdem habe ich, der offenbar davon – wie Sie sagen - keine Ahnung hat, mehrere Freunde, die in einem solchen Betrieb „arbeiten“ und „wohnen“ (müssen). Nur ist meine Perspektive eine gänzlich andere als Ihre: Während Sie und Ihresgleichen an der Aufrechterhaltung der menschenverachtenden Institutionen verdienen, müssen meine Freunde und ich dafür teuer bezahlen: mit dem Verlust unserer Freiheit, der Menschenwürde und unseres eigentlichen Lebens. Kurz: Während Sie von unserer Segregation leben, gehen wir dadurch zugrunde.

Darum fordere ich die Wahlfreiheit für ALLE Menschen und rufe zur Ablehnung der Revision auf! Sie würde nämlich genau das Gegenteil bewirken: ALLE Behinderte müssten im Heim „wohnen“ und in der geschützten Werkstatt „arbeiten“.

Uns würde – wie H. jetzt bereits fordert - kein Platz mehr in der Gesellschaft zugestanden werden.


G. Buchli